Leipziger Volkszeitung – Schluss mit dem Büro-Chaos

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Aufräumen ist erlernbar, sagt der Autor und Ordnungsexperte Jürgen Kurz

Ordnung auf dem Schreibtisch? Für so manchen ist das eine nahezu unbekannte und vor allem knifflige Angelegenheit. Wie es geht, weiß der Autor und Aufräum-Experte Jürgen Kurz.


Guten Tag, Herr Kurz, was liegt gerade in diesem Moment alles auf Ihrem Schreibtisch?

Auf meinem Schreibtisch steht meine Posteingangsschale und eine Kaffeetasse. Neben meinem Kalender liegt noch Ihre Mappe mit unserem Schriftverkehr, sowie die E-Mail in ausgedruckter Form. Zusätzlich habe ich noch einen Stift und einen Schreibblock.


Das klingt übersichtlich. Warum ist es denn Ihrer Meinung nach wichtig, den Arbeitsplatz aufzuräumen?

Es gibt im Zeitmanagement eine ganz alte Aussage, die lautet: Leertischler sind effizienter als Volltischler. Wenn der Schreibtisch leer ist und man hat nur eine Aufgabe, an der man gerade arbeitet, auf dem Tisch, dann kann man sich besser konzentrieren und wird nicht abgelenkt.


Können Sie die These, ein unaufgeräumter Schreibtisch vermittle den Chefs, der Mitarbeiter sei inkompetent, aus Ihrem eigenen Umfeld bestätigen?

Es gibt unterschiedliche Studien, die zu diesem Ergebnis gekommen sind. Ich selber habe vor einigen Monaten eine Umfrage durchgeführt und habe über 18 000 Menschen gefragt, ob sie der Meinung sind, dass Chefs Mitarbeiter mit aufgeräumten Schreibtischen bei Beförderungen bevorzugen. Zwei Drittel der Antworten lauteten Ja und nur ein Drittel lautete Nein. Interessant ist, dass ich die Menschen noch gefragt habe, ob sie selber Führungsverantwortung haben oder nicht. Das Ergebnis war aber trotzdem, bis auf geringfügige Unterschiede in der Nachkommastelle, identisch. Das heißt, sowohl Mitarbeiter als auch Chefs glauben, dass ein aufgeräumter Schreibtisch bei Beförderungen von Vorteil ist.


Wie oft räumen Sie Ihren Schreibtisch auf?

Ich weiß, das hört sich komisch an, aber ich räume praktisch nie auf. Wenn ich mit einem Vorgang fertig bin, sortiere ich den ein, bevor ich mit dem nächsten starte. Die große Kunst ist, Aufräumzeiten zu verhindern, denn das ist unproduktiv. Das Prinzip funktioniert genauso bei der Besteckschublade. Wenn man die Spülmaschine ausräumt und räumt die Besteckschublade ein, dann dauert das nicht länger, als wenn man alles einfach lose in eine Schublade werfen würde. Dieses Vorgehen ermöglicht aber den Überblick und viel kürzere Zugriffszeiten. Auf den Schreibtisch übertragen heißt das Prinzip „gib allen Dingen eine Heimat und es wird nichts mehr herumliegen“. Deshalb braucht man für seine laufenden Projekte, seine Referenzunterlagen wie z. B. Telefonlisten, Kostenstellenpläne etc. immer eine eigene individuelle Lösung.


Kann man jeden zum Aufräumen erziehen?

Die Vermutung ist oft, dass Aufräumen typabhängig ist. Es gibt sicherlich Menschen, denen das Aufräumen leichter fällt. Selbst Chaoten gelingt es, die Besteckschublade in Ordnung zu halten. Ähnlich ist es beim Schreibtisch. Wenn man gute Systeme hat, wie man auf- räumt, dann gelingt das sehr gut. Im Laufe der letzten zehn Jahre habe ich viele Tausende Menschen bei ihren Optimierungsbemühungen begleiten dürfen. Es gibt nur eine Handvoll Messies, bei denen dies krankheitsbedingt nicht gelungen ist.


Seit wann ist das Aufräumen des Büros für Sie so ein Thema und wodurch?

Ende der 90er-Jahre war ich Geschäftsführer eines Produktionsunternehmens mit gut 100 Mitarbeitern. Wir haben dort mit großem Erfolg Kaizen (Unternehmensführungskonzept aus Japan, d. Red.) in der Produktion praktiziert. Gemeinsam mit meinen Kollegen habe ich dann überlegt, wie man die Prinzipien wie zum Beispiel „alles hat seinen Platz, alles hat einen Platz“ auf das Büro übertragen kann. Wir haben dann Schritt für Schritt die Dinge umgesetzt, die uns eingefallen sind. Besucher wurden aufmerksam und haben mich gebeten, Seminare zu veranstalten und dann auch Führungen durchzuführen. Aufräumen hat jedoch nichts mit Pedanterie zu tun. Ein organisiertes Umfeld spart Zeit, Vertretungssituationen in Unternehmen werden vereinfacht und Fehler werden vermieden.


Ina Otto



Buchtipp:
Jürgen Kurz: Für immer aufgeräumt. Zwanzig Prozent mehr Effizienz im Büro.
ISBN 978-3-89749-735-1.
19,90 Euro
GABAL Verlag, Offenbach, 2007