Deutsches Baublatt – Büro-Kaizen

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Büro-Kaizen: Mey Generalbau räumt auf – Strukturen mit gemeinsamen Prinzipien

MÜNCHEN. Jeder kennt das: Kisten mit den Wasserflaschen werden im Lager für das Büromaterial aufbewahrt. Seit fünf Jahren steht der irreparable Staubsauger in der Abstellkammer. Und die meisten Mitarbeiter führen einen eigenen Lagerbestand von Stiften, Ordnern oder Schreibpapier. Achim Mey störten bis vor eineinhalb Jahren auch die überfüllten „Ablageschütten“ auf den Schreibtischen oder dass einige Mitarbeiter eigene Handakten führten, sodass manche Akten doppelt vorkamen. Es fehlte einfach eine einheitliche Struktur in den Teams. Inzwischen sieht es in den Tübinger Büros von Mey Generalbau ganz anders aus. Büro-Kaizen nennt Jürgen Kurz seine Methode, mit der er hilft, Schreibtische aufzuräumen, E-Mail-Fächer zu ordnen oder Arbeitsabläufe zu regeln.


„Vorschriften wären sinnlos, denn Unternehmenticken zu unterschiedlich“, sagt der Geschäftsführer von Tempus-Consulting, „es ist wichtig, zusammen mit den betroffenen Mitarbeitern gemeinsame Regeln zu vereinbaren.“ Wer sich darauf einlässt, hat nach ein bis zwei Tagen meist sehr viel weggeschmissen, etliches in Kisten verpackt auf den Dachboden gestellt, für alles vom Kopierpapier über den Locher bis zu Akten einen festen Platz gefunden und vor allem einen leeren Schreibtisch, auf dem nichts von der aktuellen Aufgabe ablenkt. „Ich bin ein bekennender Verfechter von leeren Tischen, weil sonst zehn Prozent der Arbeitszeit damit vergeudet werden, überflüssige Arbeitsmaterialien aufzuräumen oder fehlende zu suchen“, so der mehrfache Buchautor, etwa von „Für immer aufgeräumt – auch digital“.

Geschäftsführer Achim Mey ist mit dem Ergebnis des Kaizen-Tages „wahnsinnig zufrieden“. Tonnen von Papier sind vor dem Firmenumzug rausgeflogen, genauso wie Druckerpatronen für Drucker, die längst ausgedient hatten. „Die entscheidende Veränderung fand in unseren Köpfen statt“, so der Architekt und Wirtschaftsingenieur: „Wir haben die Angst verloren, auch mal brauchbare Unterlagen wegzuwerfen“. Meist sei der Aufwand, alles aufzuheben, das man vielleicht nochmals benötigen kann, größer als es eben dann im Bedarfsfall nochmals zu beschaffen.

Offensichtlich benötigen Menschen einen Impuls von außen, um eine gemeinsame Ordnung zu schaffen. Zwar sieht jeder Einzelne, dass das alte Telefon ausgedient hat und diese PC-Kabel schon seit vier Jahren in dem Kasten verstauben, aber niemand mag die Verantwortung übernehmen. Deshalb hatte Mey für einen Tag eine Mitarbeiterin von Jürgen Kurz engagiert. Wer die Prinzipien konsequent verfolgt, dem verspricht Kurz, dass es für immer aufgeräumt bleibt.

Das Tübinger Bauunternehmen wickelt Versicherungsschäden ab, meist sind es Leitungswasserschäden. „Wir bekommen täglich zehn neue Fälle mit sämtlichen Formularen und Daten“, erzählt Mey. So kommen im täglichen Geschäft 200 bis 300 laufende Fälle zusammen. Viel Papier, viele E-Mails und beispielsweise rund 800 eigene Bautrocknungsgeräte, die im Tübinger Umkreis im Einsatz sind. Je klarer die Strukturen und je schneller der Überblick, umso effizienter wirtschaftet das Unternehmen.

Mey lebt die Kurz-Prinzipien schon seit Jahren: leerer Tisch und freier Kopf oder Hängemappen, in denen die aktuellen Projekte griffbereit geordnet sind. „Man benötigt schon strenge Disziplin, um sich im chaotischen Tagesgeschäft die Zeit zu nehmen, die abgesprochenen Strukturen einzuhalten und nicht einfach wieder bis zum Umfallen zu stapeln“, sagt Mey. Aber nur so gelinge es ihm, das Richtige anzufassen und seine Aufgaben zügig zu erledigen. Dass seine Mannschaft inzwischen mitzieht und genauso strukturiert und effektiv arbeitet, begeistert ihn.


Tipps zur digitalen Ordnung

  • 1. Feste Lesezeiten: Schalten Sie am Rechner alle akustischen und optischen Posteingangssignale aus. Legen Sie bestimmte Zeiten fest, in denen Sie Ihre Nachrichten lesen.
  • 2. E-Mails bearbeiten: Nehmen Sie Ihre E-Mails nicht nur zur Kenntnis, sondern bearbeiten Sie sie auch. Alles, was sich in fünf Minuten erledigen lässt, sofort erledigen. Alles andere löschen Sie, delegieren Sie, archivieren Sie oder tragen sich in Ihre To-do-Liste ein.
  • 3. Löschen auf Probe: Viele User haben Angst, E-Mails zu löschen, weil sie diese noch einmal benötigen könnten. Legen Sie einen Ordner „@ Löschen auf Probe“ an und verschieben diese E-Mails dorthin. Den Ordner alle sechs Monate unbesehen löschen.
  • 4. E-Mails wiederfinden: Problem bei E-Mails ist, sie wieder zu finden. Archivieren Sie nur die Nachrichten mit relevanten Informationen. Alles andere nach dem Lesen sofort löschen.
  • 5. Freier Posteingang – freier Kopf: Viele Nutzer belastet es, wenn die erledigten E-Mails im Posteingang sind. Legen Sie in diesem Fall einen Unterordner „Archiv“ an und schieben Sie die erledigten EMails dort hinein. Das wirkt befreiend und über die Suchfunktion findet man alles, im Bedarfsfall, sehr schnell.
  • 6. Eindeutige Betreffzeilen: Eine klare Betreffzeile hilft Sender und Empfänger. Der Adressat weiß sofort, worum es geht. Der Absender formuliert auch für sich selbst klar sein Anliegen (Kunde, Projektnummer, Vorhaben). Zudem erleichtert es später das Finden einer Nachricht.
  • 7. Vereinbaren Sie gemeinsame Spielregeln: Die Wenigsten arbeiten alleine. Vereinbaren Sie deshalb im Team gemeinsame Regeln: eine gemeinsame Ablagestruktur, den Zeitraum, in dem E-Mails verarbeitet werden müssen, welcher Verteiler ist der richtige, wann sind E-mail, Telefonat und direktes Gespräch das passende Kommunikationsmedium.





Erfolgreiche Personalpolitik - Mitarbeitersuche

GIENGEN. Es wird immer deutlicher: Die besten Mitarbeiter gehen zu den besten Firmen. Als Folge jammern Chefs, Handwerkskammern und Innungen über Fachkräftemangel, demografischen Wandel und andere Widrigkeiten. Doch das sind Ausreden. Als ehemaliger Inhaber eines metallverarbeitenden Betriebes weiß ich, wovon ich rede. Für mein Buch „Das Geheimnis der Champions“ habe ich mit meinem Kollegen Benjamin Kuttler bei weltweit mehreren tausend Unternehmen recherchiert. Was sind deren Erfolgsfaktoren? Fündig geworden sind wir im Silicon Valley. Aber nicht nur dort. In Ostwestfalen, auf der Schwäbischen Alb oder in Schleswig-Holstein gibt es Handwerksbetriebe, die mit einer pfiffigen Personalpolitik die besten Mitarbeiter finden und binden. Die folgenden Erfolgsfaktoren zeigen, worauf es ankommt.


Radikale Fokussierung auf A-Mitarbeiter

Ich bin ein leidenschaftlicher Verfechter der Einteilung in ABC-Mitarbeiter. Ein erfolgreiches Unternehmen benötigt mindestens 80 Prozent A-Mitarbeiter: Das sind Mutmacher, die mit Herz, Hand und Verstand dabei sind. Sie übertreffen die gesteckten Ziele, sind überdurchschnittlich engagiert und erfolgreich. Diese Einteilung vertreten auch prominente Firmenchefs wie Google-Gründer Larry Page: „Wir sind aktuell 54 000 Mitarbeiter. Wenn es auch nur einem B-Mitarbeiter gelingen würde, in unser Unternehmen einzudringen, dann hätten wir uns einen Virus eingefangen, der nur ganz schwer wieder zu entfernen ist.“ Hat der Google- Chef keine anderen Sorgen? Seine Antwort: „Nein, denn damit verdiene ich mein Geld.“ Das Einstellen herausragender Mitarbeiter ist die wichtigste Aufgabe des Chefs.

Systematische Mitarbeiterbeurteilung

In meinem Unternehmen haben wir einen einfachen Leistungsbeurteilungsbogen entwickelt. Da gibt es Punktewie Fachkenntnis, Weiterbildung, Einsatzbereitschaft oder Freundlichkeit. Mitarbeiter und Führungskraft füllen das Blatt an Hand der Noten eins bis fünf unabhängig voneinander aus. Eigen- und Fremdbild sind dann die Grundlage für das jährliche Mitarbeitergespräch, in dem die Leistung beurteilt, die berufliche und persönliche Entwicklung besprochen und eine gezielte Weiterbildung geplant werden.

Es hat sich gezeigt, dass zu 70 Prozent der Chef für den Niedergang eines Unternehmens für verantwortlich gehalten wird. Als Konsequenz drehen erfolgreiche Unternehmen den Spieß alle zwei, drei Jahre um: Jetzt dürfen die Mitarbeiter ihre Vorgesetzten beurteilen. Auch den Inhaber. Natürlich haben wir dies in meinem Unternehmen selbst gemacht. Und meine erste Beurteilung war lediglich zwischen gut und befriedigend. Das war mir viel zu wenig. Deshalb muss auch ich mich als Chef weiterbilden und weiterentwickeln.

Nach einem ähnlichen Prinzip wie die Mitarbeiterbeurteilung werden Führungskräfte nach ihren Fähigkeiten benotet wie Information über Firmenziele, Übermittlung von Informationen, Feedback von Mitarbeitern. Führungskräfte müssen sich einer Beurteilung ihrer Mitarbeiter stellen, denn auch sie sind A, B oder C. Und nur die besten Führungskräfte werden die besten Mitarbeiter für sich gewinnen und an sich binden können.

Mehrstufiger Einstellungsprozess

Bewerbung lesen und beurteilen, ein Gespräch führen und schnell den Arbeitsvertrag unterzeichnen – dieses Vorgehen ist fährlässig. Bei Google führen neue Mitarbeiter bis zu 30 Gespräche mit einzelnen Kollegen, dem Team, unterschiedlichen Vorgesetzten und dem Chef. Denn der neue Mitarbeiter soll seine Fähigkeiten zusammen mit diesen Menschen einbringen. Jede Minute und jeden Euro, den Inhaber oder Geschäftsführer in die Rekrutierung von Mitarbeitern stecken, sparen sie mittelfristig um ein Mehrfaches. Denn: Weder gehen sie nach der ernüchternden Probezeit mit einem durchschnittlichen Bewerber wieder auf Mitarbeitersuche noch geben sie Geld für Prozesse vor dem Arbeitsgericht aus.

Erstellen Sie ein klares Anforderungsprofil mit konkreten Zielen, aktivieren Sie Ihr Netzwerk, führen Sie Telefoninterviews, holen Sie Referenzen ein und vereinbaren Sie eine Probezeit mit Meilensteinen. Und beziehen Sie Ihre Mitarbeiter in den Bewerbungsprozess mit ein. Die müssen mit dem Neuen zusammenarbeiten.

Work-Life-Balance einhalten

Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verschwindet: Der Arbeitsplatz wird ein Ort, an dem sich Mitarbeiter wohlfühlen wollen. Die Wertschätzung für die Mitarbeiter drückt sich etwa auch durch gemeinsame Freizeitaktivitäten oder andere Angebote für die Belegschaft aus.

Mitarbeiter werden zu Mit-Unternehmern

Chefs müssen ihren A-Mitarbeiterngrößere Entscheidungsfreiheiten geben, denn die wissen an ihrem Arbeitsplatz oft besser, was zu tun ist, als die Führungskraft, die mit anderen Aufgaben beschäftigt ist. Gerade im Handwerk müssen Sie sich auf Ihre Mitarbeiter und deren Arbeitsqualität verlassen. Sie können nicht jede Fuge und jede Schraube kontrollieren.

Werte machen wertvoll und dienen der Orientierung

Je mehr Freiheiten einzelne Mitarbeiter haben, desto mehr sind Werte ein Kompass, der Orientierung gibt. Entscheidend: Gemeinsame Werte werden nicht für die Ewigkeit definiert, um sie als Leitbild an die Wand zu hängen oder ins Internet zu stellen. Es ist wichtig, wirklich an den Werten zu arbeiten, diese im Alltag zu überprüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln.


Der Autor des Beitrags, Jörg Knoblauch, ist Inhaber verschiedener Unternehmen. Seit über 20 Jahren entwickelt er Führungsmodelle und neue Strategien zur Mitarbeiterbindung. Mit Benjamin Kuttler verfasste er das Buch „Das Geheimnis der Champions: Wie exzellente Unternehmen die besten Mitarbeiter finden und binden“, erschienen im Campus Verlag, Frankfurt am Main 2016.