Los entspann Dich! Warum wir mehr Mañana brauchen!


Besitzen Sie die Fähigkeit, nichts zu tun und nichts zu wollen? Sie finden, das ist eine komische Frage für einen Blog, der sich um Effizienz bemüht, sich mit Zielen beschäftigt und der dazu einlädt, an sich zu arbeiten und stetig besser zu werden? Spätestens seit ich das Buch „Die Mañana-Kompetenz“ von Gunter Frank und Maja Storch gelesen habe, bin ich überzeugt, ohne Mañana laufen wir Gefahr, unzufrieden am eigenen Leben vorbeizuleben oder zum Opfer unserer eigenen Erfolge zu werden.

Was ist das Problem

Vor einigen Monaten erkrankte ein guter Freund von mir. Er fiel für Monate aus. Und das, obwohl er ein Powermensch, einer auf der Überholspur, ein unglaublich fleißiger und tougher Typ ist. Die Diagnose hieß Burnout. Ich war schockiert und fragte mich, wie das passieren konnte. Als ich mich mit Burnout zu beschäftigen begann, kapierte ich ziemlich schnell: An Burnout erkranken nicht die „Faulen“. Es ist die Krankheit der Powermenschen. Es ist die Falle der Tüchtigen! Also der Typen, mit denen ich mich identifiziere und zu denen ich mich selber gerne zähle. Dass der Wunsch zu den Besten zu gehören, auch eine dunkle Seite entwickeln kann, wurde mir erst zu diesem Zeitpunkt richtig klar.

Mañana um über Leben nachzudenken
Es lohnt sich, regelmäßig über sein Leben nachzudenken!

Was ist Mañana?

In unserer westlichen Kultur, egal ob in Europa, den USA oder Australien gehören der Wunsch nach der ständigen Verbesserung und der Wunsch nach Selbstoptimierung tief zur kulturellen Identität. Dieser Wunsch drückt sich selbst in der Freizeitgestaltung aus. Einfach nichts zu tun, ist keine Option! Stattdessen machen wir Power-Yoga, trainieren in der Freizeit für einen Triathlon oder nehmen uns vor, die 1.000 schönsten Orte in Europa zu besuchen. Wir stürzen uns mit einem Ehrgeiz in das Projekt „Work-Life-Balance“, dass wir gar nicht merken, dass auch unsere Freizeitgestaltung in Stress ausartet. Mañana ist das genaue Gegenteil. Mañana ist spanisch und bedeutet „morgen“. Mañana ist die Fähigkeit, nichts zu tun und nichts zu wollen.

Mañana einfach nur sein wollen
Nichts tun und nichts wollen – einfach nur sein = Mañana!

Wie funktioniert Mañana?

Medizinisch ausgedrückt ist Mañana die Fähigkeit, den Parasympathikus gezielt zu aktivieren. Der Gegenspieler des parasympathischen Systems ist der Sympathikus. Er versetzt uns in die Lage zu kämpfen und zu flüchten. Im Sympathikus-Modus sind wir schnell, effektiv und arbeiten wie am Fließband unsere To-Do-Listen ab. Im Parasympathikus-Modus reguliert der Körper alle Fluchtorgane zurück in den Schongang. Das Herz beruhigt sich und schlägt wieder langsamer. Die Muskulatur entspannt sich. Der Blutdruck sinkt zurück auf den Normalwert. Mein Freund hatte diese Fähigkeit verloren. Er lief stets auf Hochtouren. Auch in der Freizeit. Das Letzte, was er brauchte, war ein weiteres Tool zur Verbesserung seiner Leistungsfähigkeit. Das Beste für ihn wäre ein Parasympathikus-Training gewesen. Doch er googelte schon wieder nach dem nächsten Effizienzsteigerungsseminar. Bis der Körper den Stecker zog.

Wie wäre es mit Kroatien? 

Vor einigen Jahren überlegte ich, ob es etwas gibt, das ich in meinem Arbeitsalltag vermisse. Ich war erfolgreich. Ich liebte das Business und ging in meiner Arbeit auf. Ich merkte, wie dankbar ich sein konnte für all das. Zu diesem Zeitpunkt besuchte ich gerade einmal wieder Kroatien und dachte: „Wäre es nicht perfekt, wenn ich regelmäßig hierher kommen könnte?“

Mañana in Kroation zum Abschalten
Kroatien ist für mich der perfekte Ort, zur Ruhe zu kommen.

Ich legte den Gedanken schnell beiseite: zu lange Anfahrtszeiten und wie sollte das gehen, wenn ich nicht in Giengen im Büro wäre? Die Idee blieb aber wach in mir. Die digitale Revolution stand gerade vor ihrem Anfang und die Möglichkeiten, digital zu arbeiten waren sehr eingeschränkt. Das änderte sich in den darauffolgenden Jahren rasant. Plötzlich konnte ich am Flughafen W-Lan nutzen und auch am Strand war ich über Telefon und Internet mit zuhause verbunden. Die Argumente, die damals gegen Kroatien sprachen, spielten plötzlich keine Rolle mehr! Heute fliege ich fast alle zwei Monate zu meiner Familie. Statt im Büro arbeite ich von dort aus – die digitale Revolution macht es möglich. Ich habe meinen Ort gefunden, an dem ich vom Flucht- und Kampmodus in den Schongang schalten kann.

Mañana um sich zurückzuziehen
Inzwischen ziehe ich mich regelmäßig nach Kroatien zurück.

Erleichtert wurde die ganze Situation dadurch, dass Teile der Familie meiner Frau aus Kroatien stammen. Diese Nähe machte organisatorisch für mich vieles leichter.

Inseln der Behaglichkeit

Kroatien ist nur ein Beispiel. Das passt für mich! Sie haben vielleicht Verwandtschaft an der Ostsee oder im Bergischen Land. Mir geht es darum, Sie zu ermutigen, den Horizont weit zu machen und groß zu denken, wenn Sie Inseln der Behaglichkeit für sich suchen. Das ist das wichtigste Ziel von Mañana: eine innere Verfassung zu erreichen, die sich mit „Behagen“ umschreiben lässt. Dieses Behagen findet im Körper statt und nicht im Kopf. Behagen spürt man, man denkt es nicht. Wenn der Parasympathikus arbeitet spürt man das Behagen. Es breitet sich im ganzen Körper aus. Wenn es nicht da ist, dann merkt man es ganz genau. Man hat dann noch nicht einmal mehr das Bedürfnis, es jemanden mitzuteilen. Die Abende in Kroatien, aber auch die Spaziergänge am Strand zwischendurch, die Gespräche mit meiner Familie, das Alles sind für mich solche Inseln der Behaglichkeit.  Für Sie können es ganz andere Dinge sein!

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Meine Mañana-Rituale

Im Laufe der Zeit habe ich neben den Reisen nach Kroatien weitere Mañana-Rituale entwickelt.

1. Freitags gehe ich um spätestens 14 Uhr nach Hause

Ich freue mich auf die Zeit mit der Familie und lasse das Büro hinter mir. Am Wochenende begleite ich meine Frau und unsere Tochter bei ihren Stadtbummeln oder gehe mit meinem Sohn zum Fußball. (Seine Amateurmannschaft spielt 2017 im DFB-Pokal!)

2. Samstags mache ich stets meine Wochenplanung für die kommende Woche. 

Ich liebe die Ruhe, wenn ich an meinem Laptop arbeite und die alte Woche abschließen kann. Ich kann den Rest des Wochenendes genießen, weil die neue Woche vorbereitet ist.

Mañana und in Ruhe planen
Bei der Wochenplanung

3. Ich freue mich auf Sonntag

Sonntag ist der Tag, an dem ich mir bewusst einen Obstsalat schnippel, laufen gehe und die Zeitung lese.

All diese Dinge funktionieren bei mir! Sie müssen nicht bei Ihnen funktionieren. Mein Wochenplanungsritual wäre so z.B. nicht möglich, wenn nicht meine Frau zu gleichen Zeit immer einen eigenen festen Termin hätte. Das ist eine Absprache, die für uns passt und die für Sie völlig unpassend sein kann.

Nichts tun und nichts wollen

Auch in Europa ist die Mañana-Idee nicht völlig unbekannt. Im Dänischen gibt es das Wort „hygge“. Es steht für Gemütlichkeit oder Behaglichkeit und beschreibt etwas Ähnliches wie Mañana. Vor der technischen Revolution gab es diese Inseln überall in Europa.  Anstatt für verkaufsoffene Sonntage zu kämpfen, gingen die Menschen in die Kirche und taten ansonsten … nichts. Anstatt für das Recht zu kämpfen, am Karfreitag die Clubs öffnen und tanzen zu dürfen, genossen sie das kirchlich verordnete Schweigen.

Mañana auch in der Kirche
Früher sorgten die Kirchen für Mañana

Ich bin kein religiöser Mensch, aber ich stelle fest, dass mit den Säkularisierung diese Möglichkeiten des Nichts-Tuns immer weniger werden. Wir brauchen andere Inseln, wenn wir nicht ausbrennen und krank werden wollen. Wenn wir zunehmend das Gefühl haben, dass einem das eigene Leben durch die Finger gleitet, wenn wir immer gestresster und unzufriedener werden, obwohl wir doch scheinbar alles richtig machen, brauchen wir vor allen Dingen aus psychologischen Gründen Mañana-Kompetenz.

Die Faustregel

Die Autoren Frank und Storch nennen in ihrem Buch „Die Mañana-Kompetenz“ sechs verschiedene Möglichkeiten, den Sympathikus zu drosseln und den Parasympathikus zu aktivieren. Sie sprechen von verschiedenen Typen und Neigungen, die sich in unterschiedlichen Mañana-Zonen bewegen. Die sechs Typen oder Neigungen sind:

  • Wärmeneigung
  • Sportneigung
  • Erregbarkeit
  • Aktivierbarkeit
  • Sozialer Rückhalt
  • Intellektuell-musische Betätigung

Die These des Buches lautet: Jede und jeder hat ganz persönliche Mañana-Reserven. Um Mañana-Kompetenz zu erlernen, müssen wir vor allem für uns ganz persönlich herausfinden, welche Mañana-Maßnahmen gut funktionieren und welche eher kontraproduktiv sind. Wichtig ist, dass wir unseren Typ und unsere Neigung ausfindig machen. Wer alles will, wird wenig haben.

Mañana und freie Zeit genießen
Welcher Mañanatyp sind Sie?

Bei mir scheint es der soziale Kontakt mit der Familie aber auch meine Wärmeneigung zu sein, die mir helfen, Behaglichkeit zu empfinden und Mañana zu erleben. Deswegen ist Kroatien mit seinen warmen Abenden mit der Familie der perfekte Ort für mich. Fast genauso wohl fühle ich mich übrigens in der Sauna. Bei Ihnen kann es etwas ganz anderes sein!

Lösen Sie sich vom sozialen Druck!

Sie kennen dieses Raunen darüber, dass der Kollege zwei Stunden eher aufsteht, um noch joggen gehen zu können. „Das muss ich auch machen, wenn ich Work-Life-Balance erreichen!“, denken wir und kaufen uns eine Pulsuhr. Wem Sport Spaß macht und für den kann Sport eine Stressabbaumaßnahme erster Güte sein. Doch unter Umständen entscheiden wir uns damit genau für das Falsche. Auch ich hörte ein Raunen in meinem Umfeld, als ich sagte: „Ich werde jetzt regelmäßig nach Kroatien fahren, weil mir das gut tut!“. Ich konnte auf ihren Gesichtern lesen: „Na der kann sich ja was leisten!“ Wir müssen uns zuallererst dem sozialen Druck entziehen und herauszufinden, was uns gut tut, was unsere persönliche Mañana-Zone ist.

Glückliche Menschen sind erfolgreich – nicht umgekehrt!

Mein Freund gehörte zu den Menschen, die gerne Gas geben und dabei erfolgreich sind. Auch ich zählte mich dazu. Doch ich musste erkennen, dass ich damit zu den härtesten Fälle fehlender Mañana-Kompetenz gehörte. Auf dem ersten Blick geht es uns Effizienz-Junkies ja eigentlich prima. Wenn wir ehrlich sind, dann verfolgen wir die Idee: wenn ich erfolgreich bin, dann bin ich glücklich. Im Mañana-Denken wird dieses Prinzip genau umgedreht: Nicht erfolgreiche Menschen werden (irgendwann) glücklich sein, sondern glückliche Menschen, die auch abschalten und bei sich sein können, sind erfolgreich.

Mañana kleine Auszeiten nutzen
Ich gönne mir das Glück kleiner Auszeiten

Wenn der Sympathikus dauerhaft aktiviert ist, schädigt das nachhaltig den Körper, unsere Beziehungen zerbrechen und wir brennen aus und fühlen uns nach jahrelanger beruflicher Anspannung ausgelaugt und unkreativ. Wir zahlen einen Preis für unseren Lebensstil.

Den Parasympathikus im Alltag aktivieren

Ich habe erkannt: Pause machen ist schlicht nötig für den Selbstzugang und die psychologische Zufriedenheit und ebenso für die körperliche Gesundheit und den Erhalt der Leistungsfähigkeit. Doch Pause machen ist eine Fähigkeit, die gelernt werden muss. Im Buch wird diese Fähigkeit als Selbstpriming beschrieben. Der englische Begriff Priming steht für die Fähigkeit unseres Gehirns, unbewusst zu lernen. Wir könnten auch von Selbst-Konditionierung sprechen. Man primt sich selbst, indem man seinen gesamten Alltag mit Erinnerungshilfen spickt. Wir legen für unser Gehirn eine Spur durch den Tag, durch die das Gehirn immer wieder an das Thema Mañana-Kompetenz erinnert wird. Für mich ist das Kroatien! Denke ich an die Sonne, das Meer und den Strand, entsteht in mir das Gefühl der Behaglichkeit.  Durch einen Schlüsselanhänger, ein Foto im Kalender, ein Lied aus dem Urlaub, eine kleine Muschel in der Schreibtischschublade werde ich an dieses Gefühl erinnert.

Mañana Erinnerungen und positive Ereignisse
Spuren der Erinnerung durch den Alltag legen

Der Schlüsselanhänger, die Muschel und das Foto erinnern mich: Du kannst auch hier und jetzt Mañana erleben. Sie sind der Trigger, den ich brauche, um mich daran zu erinnern, dass ich den Parasympathikus aktivieren und Pause machen darf und zwar nicht erst in drei Wochen, wenn ich wieder nach Kroatien fliege, sondern jetzt, auf der Nachhausefahrt, am Wochenende oder wenn ich mittags eine Pause mache.

Und Sie?

Nennen Sie mir Ihre Mañana-Rituale! Ich freue mich über Ihre Kommentare, Hinweise und Anregungen! Wie wäre es, wenn wir in Europa wieder etwas mehr Mañana leben lernen? Machen Sie mit?

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Die Mañana-Kompetenz


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