unternehmen! – Schon aufgeräumt?

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Die Digitalisierung wälzt die Arbeitswelt um – auch im Büro. Kluge Unternehmer achten darauf, dass sich Mitarbeiter dort wohlfühlen und geben Hilfestellung im Kampf gegen die digitale Datenflut. Denn Ordnung fördert Effizienz und Gesundheit.


Gehen wir künftig zum Arbeiten noch an unseren Schreibtisch im Büro unseres Arbeitgebers? Oder sitzen wir mit unserem Tablet zu Hause auf dem Sofa und erledigen unseren Job von dort? Arbeiten wir von unterwegs oder im Co-Working-Space um die Ecke? Diese Fragen stellt sich seit mehr als zehn Jahren das in Stuttgart ansässige Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Es erforscht im Projekt Office 21 mit 22 Partnern aus unterschiedlichen Branchen die Entwicklungen in der Büro- und Arbeitswelt und ihre Auswirkungen auf die Gestaltung von Arbeit. Gemeinsam versuchen sie vorauszudenken und den Wandel in der Büroarbeitswelt aktiv mitzugestalten. Unter der wissenschaftlichen Leitung des IAO bündeln namhafte Partner von A wie Adidas bis V wie Volkswagen ihre Kompetenzen. Ein Schwerpunkt der Kooperation liegt auf der künftigen Gestaltung von Büroräumen und darauf, welche technologischen Infrastrukturen künftig nötig sind.
Als Arbeitsgrundlage haben die Forscher Thesen zur Büro- und Wissensarbeit entwickelt, die von 136 Experten aus verschiedenen Disziplinen bewertet wurden. Heraus kam ein Szenario, das die Entwicklungen der Büro- und Wissensarbeit um das Jahr 2025 beschreibt. Zu den zahlreichen Vorstudien gehört auch die Befragung „Office Settings“. Ein wichtiges Ergebnis fasst IAO-Projektmanager Mitja Jurecic zusammen: „Ein zufriedener Mitarbeiter arbeitet motivierter und ist leistungsfähiger.“ Das gilt auch für die Gestaltung der Büroumgebung: Sie ist ein wichtiges Instrument für Unternehmen, um Mitarbeiter positiv zu beeinflussen.

GUTE BÜROS LOHNEN SICH
In unserer flexiblen Arbeitswelt wird das klassische Büro immer wichtiger – und das, obwohl wir dort immer weniger Zeit verbringen. Die Studie zeigt, dass dort Verbesserungsbedarf besteht. Lediglich 20 Prozent der Befragten sind mit ihrer Büroumgebung sehr zufrieden, 42 Prozent bezeichnen sich als „eher zufrieden“. Knapp 40 Prozent der Teilnehmer dagegen sehen enormes Optimierungspotenzial. So gaben die Befragten zum Beispiel an, die Art der Möblierung und die Akustik in den Büroräumen sei für sie von hoher Bedeutung. Genauso wichtig ist es ihnen, sich für konzentriertes Arbeiten zurückziehen zu können. Wer das ernst nimmt, hat in Zeiten des Fachkräftemangels einen großen Vorteil. „Zufriedene Mitarbeiter bleiben länger im Unternehmen, identifizieren sich stärker mit ihm und setzen sich mehr ein.“
Bei allem technischen Fortschritt bleibt das tägliche Chaos ein Problem: Es verlagert sich lediglich von der analogen in die digitale Welt. Dass in den Büros, in denen gegenwärtig gearbeitet wird, großer Bedarf an Optimierung besteht, weiß Jürgen Kurz aus seinen vielen Einsätzen in Unternehmen aller Branchen und Größenordnungen im deutschsprachigen Raum. Der Geschäftsführer der Beratungsfirma Tempus GmbH. in Giengen, hat im Rahmen seiner Organisationsberatung das Prinzip das Büro Kaizen entwickelt. Ansätze des Kaizen, der japanischen Philosophie der „Veränderung zum Besseren“, setzt er sowohl im analogen wie im digitalen Bereich ein.

ZEITIRESSER E-MAIL
Wie nötig Veränderung ist, hat er mit der AKAD Hochschule Leipzig in einer Studie zur Arbeitseffizienz im Büro mit mehr als 20.000 Befragten herausgefunden. Das Ergebnis ist erschreckend: Durchschnittlich bis zu zwei Stunden am Tag, also zehn Stunden pro Woche, wendet jeder Mitarbeiter zur Bearbeitung von E-Mails auf. Aber es kommt noch schlimmer: „Gestiegene Kommunikationsanforderungen und ineffiziente Büroorganisationführen dazu, dass lediglich drei Tage pro Arbeitswoche für produktives Arbeiten übrig bleiben“, schildert Kurz das Problem. Hier setzt er an. Er etabliert „sich selbstbegrenzende Systeme“ und schult die Mitarbeiter darin. Bewusstsein für die wirklich wichtigen Aufgaben zu entwickeln. Zudem regt er an, Prozesse zu verschlanken. „Erfolg entsteht durch Konzentration, nicht durch Verzettelung”, sagt Kurz. Seine Erkenntnisse und konkreten Tipps für den Umgang mit einem chaotischen Büro und einem überfüllten Schreibtisch hat er 2007 in seinem Bestseller „Für immer aufgeräumt. Zwanzig Prozent mehr Effizienz im Büro“ zusammengefasst. Da sich seither das Verhältnis von 80 Prozent Arbeit mit Papier und 20 Prozent digitaler Arbeit umgekehrt bat, schrieb er im vergangenen Jahr ein Buch für mehr Effizienz im digitalen Büro: „Für immer aufgeräumt - auch digital: So meistern Sie E-Mail-Flut und Datenchaos.“ Nach Kurz' Worten fühlen sich 6o Prozent der Beschäftigten durch die ständige Unterbrechung durch E-Mails belästigt. Im Minutentakt trudeln sie ein, die meisten davon überflüssig oder unwichtig. Sie unterbrechen aber oft den Arbeitsfluss und stören die Konzentration. Viele Menschen leiden dadurch unter Dauerstress. Was früher der volle Schreibtisch war, der den Blick für das Wesentliche verstellte und die Arbeit behinderte, ist heute das volle E-Mail-Postfach. Doch da weiß Kurz Rat: ,,Löschen Sie alles, was für Sie nicht relevant ist und auch nicht werden wird, sofort und leiten E-Mails, die Sie nicht bearbeiten müssen, direkt weiter. Wenn Sie bei einer E-Mail nichts tun müssen, außer sie zur Kenntnis zu nehmen, dann tun Sie dies sofort und legen Sie die Mail anschließend im „Erledigt“-Ordner ab. Wenn sich in der E-Mail nur eine kleine Aufgabe wie eine Terminbestätigung oder eine kurze Antwort verbirgt und Sie diese innerhalb von fünf Minuten erledigen können, tun Sie es sofort. So schonen Sie Ihre To-do-Liste, die sonst schnell ins Unermessliche wächst. Die E-Mails, die Sie nicht sofort erledigen können, oder deren Bearbeitung mehr als fünf Minuten dauert, die terminieren Sie.“

Fünf Tipps zur E-Mail-Effizienz
Jürgen Kurz, Geschäftsführer der Tempus GmbH aus Giengen und
Experte für Effizienz im Büro, gibt 18 Tipps, wie E-Mails richtig verarbeitet werden, damit das Postfach leer ist und es
auch bleibt. Die fünf wichtigsten Tipps finden Sie hier, die restlichen 13 können unter www.buero-kaizen.de
kostenlos heruntergeladen werden.

Sich bei jeder E-Mail die Frage stellen: Muss ich darauf antworten?
Wenn nicht, löschen oder archivieren Sie die E-Mail sofort.

E-Mails im Block verarbeiten
Bearbeiten Sie E-Mails nicht ständig, sondern ein- bis zweimal am Tag zu bestimmten Zeiten (zum Beispiel: vor der Mittagspause und abends bevor Sie nach Hause gehen).

E-Mail-Empfangssignale abschalten
Sofern Ihr System bei jeder eingehenden E-Mail eine Eingangsmeldung von sich gibt (egal ob akustisch oder optisch), schalten Sie diese am besten aus, damit Sie nicht ständig bei Ihrer Arbeit gestört werden.

5-Minuten-Regel beachten
Wenn Sie E-Mails abrufen und die Beantwortung einer E-Mails weniger als fünf Minuten beansprucht, dann antworten Sie sofort. Ansonsten planen Sie die Erledigung der Aufgabe und tragen Sie den Termin in Ihr Zeitplanbuch bzw. Ihr elektronisches Planungssystem ein.

Eindeutige Betreffzeilen verwenden
Verwenden Sie eine Betreffzeile, die einen klaren Hinweis auf den Inhalt gibt. Oft ist Ihr Lohn dafür, dass Sie schneller Antwort bekommen. Eventuelle sollten sogar Anlassbeschreibungen verwendet werden wie zum Beispiel zur Information, zur Entscheidung, zur Erledigung, zur Terminabklärung.

VERLOREN IM DATENDICKICHT
Mit demselben Themenbereich wie Kurz beschäftigt sich Marion Putzer, Beraterin für Arbeitsorganisation und Selbstmanagement. Sie nähert sich mit ihrer Regensburger Firma „Büro in Form“ der Büro- und Selbstorganisation mit Blick auf das betriebliche Gesundheitsmanagement. Hier sieht sie eine große Herausforderung für Unternehmen.
Ihr Beispiel aus einer Beratung: Ein Mitarbeiter fühlte sich überlastet. Er sucht zu lange nach seinen Daten und Informationen, hatte auch schon verschiedene manuelle wie elektronische Aufgabenübersichten ausprobiert. Inzwischen hatte er das Gefühl, nur noch reagieren zu können – und resignierte: Wozu sollte er noch eine To-do-Übersicht führen? Oder ein Ablagesystem einhalten? Seine Struktur hat sich „aufgelöst“, das zeigt sich auch an seinem Arbeitsplatz: Hier stapeln sich leere Flaschen und Tassen. Die „Noch zu lesen“-Fachzeitschriften rutschen zwischen aktuelle Unterlagen. Im E-Mail-Posteingang stapeln sich 200 ungelesene Mails und noch mehr als 8oo Mails – zum Teil vom letzten Jahr. Putzer versucht, ein neues Bewusstsein zu vermitteln. In solchen Fällen unterstützt sie Mitarbeiter, ihr Arbeitsverhalten zu reflektieren. Dafür spielen bestimmte Fragen eine große Rolle: Was brauche ich, um effektiv zu arbeiten? Was hilft mir was hindert mich?, Welche Strukturen haben sich bewahrt, welche nicht? Oder: Wer oder was könnte mich unterstützen, um effektiver und motivierter zu arbeiten?
Ein wichtiger Baustein ihrer systematischen Beratung sei es, die Führungskräfte einzubinden: „Denn die Art der Kommunikation, eine ehrliche Wertschätzung und eine hilfreiche Unterstützung sind für die Motivation und die Gesundheit der Mitarbeiter wesentlich.“ Hilfreich sind klare Abläufe und eine akzeptierte und logische Ablagestruktur. Aber auch für alle verbindliche Meeting-Regeln fördern die Motivation aller Mitarbeiter und können nachvollziehbar eingefordert werden.

DURCH DIE NASE EINATMEN
Putzer rät, während des Arbeitstages immer wieder so genannte Ankerpunkte zu setzen, um sich wieder besser auf eine neue Aufgabe konzentrieren zu können.
„Nehmen Sie dazu immer ein bestimmtes, symbolisches Objekt in die Hand, zum Beispiel Ihren Lieblingsstift. Atmen Sie bewusst durch die Nase ein und aus und richten Sie Ihre Gedanken eine Minute lang auf Ihre Atemzüge. So kommt das Gedankenkarussell zur Ruhe, Sie tanken wieder auf und können sich danach wieder viel konzentrierter Ihrer Arbeit widmen“, empfiehlt Putzer. Diese Mikro-Pausen dienen dazu, auch in sich selbst aufzuräumen, sich zu strukturieren und wieder auf das Wesentliche zu fokussieren.


Weitere Infos Im Internet

Rund 30.000 Mal ist der Film „Arbeitswelten 4.0 – Wie wir morgen arbeiten und leben“ des Fraunhofer IAO bereits angesehen worden. In ihm wird ein Zukunftsszenario entworfen, wie Büro- und Wissensarbeiter im Jahr 2025 leben und arbeiten werden www.youtube.com/watch?v=2A_SJdH2Iw8. Mehr zur Langzeitstudie Office21 „Wie wird sich Büro- und Wissensarbeit zukünftig entwickeln?“: www.office21.de. Verschiedene Checklisten zum Thema „Effizienzsteigerung im Büro stehen kostenlos auf der Webseite von Jürgen Kurz zum Download bereit unter www.fuer-imrner-aufgeraeumt.de. Marion Putzer, Beraterin für Arbeitsorganisation und Selbstmanagement, wendet bei ihrer Organisationsberatung einen systemischen Ansatz an: www.bueroinform.com


Birgit Weichmann