Season – Jetzt wird das Chaos geregelt

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So kriegen Sie Ihre Dinge unter Kontrolle – und nicht umgekehrt. Drei Experten erzählen, was beim Aufräumen wirklich zählt


JÜRGEN KURZ

ist Ordnungsprofi berät Firmen wie BMW und Lufthansa im Bereich Büro-Organisation

Wie kommt es zu unaufgeräumten Unterlagen?
Indem man den Dingen keine Heimat gibt. Allein bei der Arbeit hat jeder zwischen zehn und dreißig laufende Projekte. Problematisch ist es, alles zu stapeln oder einfach auf dem Schreibtisch liegen zu lassen. Hier braucht man ein System mit Direktzugriff. Zum Beispiel ein Pultorder- oder ein Wiedervorlagesystem, bei dem man genau weiß, wo sich die Unterlagen befinden. Wenn man alles nach dem Motto „Da denk ich schon dran“ auf den Stapel packt, gehen die Dokumente leicht unter.

Die Stapel türmen sich aber nicht nur auf dem Tisch, sondern auch im Computer ...
Die Informationen, die auf uns einströmen, verdoppeln sich mittlerweile alle ein bis zwei Jahre. Das man kann an der Anzahl der Mails beobachten, die das Postfach fluten. Das zentrale Problem hier: Viele Menschen checken ihre Mails, lassen sie aber oft einfach im Posteingang und verlieren die Übersicht. Das spüren sie und bekommen ein flaues Gefühl im Magen.

Wie bewältigt man dieses Problem?
Ganz einfach. Mails muss man verarbeiten, was aber nicht zwangsläufig bearbeiten bedeutet. Es gibt fünf Möglichkeiten, eine Mail zu verarbeiten:

  • 1. Löschen, wenn sie uninteressant oder Spam ist.
  • 2. Weiterleiten, wenn die Info gar nicht für mich ist.
  • 3. In den betreffenden Projektordner schieben, wenn ich die Mail brauche, aber noch nicht jetzt.
  • 4. Sofort bearbeiten, wenn es schnell geht. Aus dem Zeitmanagement gibt es eine Regel: Wenn du etwas in fünf Minuten erledigen kannst, tu es sofort.
  • Und 5.: Terminieren oder in die To-Do-Liste. Also einen Termin vereinbaren, den ich in meinem Kalender eintrage oder in einen eigenen „To Do“-Ordner schieben, den ich regelmäßig durchgehe und abarbeite. Dann ist es aus dem Kopf.

Und wie fängt man an mit dem Aufräumen?
Beim Papier auf dem Schreibtisch heißt der erste Schritt: Alles raus, was keine Miete zahlt. Einfach mal aussortieren, was man nicht mehr braucht. Das ist ein wahnsinnig gutes, befreiendes Gefühl. Danach hilft es, sich eine dauerhafte Struktur für seinen Arbeitsprozess zu schaffen. Wenn ich die durchhalte, habe ich eine Ordnung geschaffen, die anhält.


„Wenn Du etwas in fünf Minuten erledigen kannst, tue es sofort.“

Downloads von Checklisten unter www.buero-kaizen.de




LILO FRIEDRICH

war sieben Jahre lang Mitglied des Bundestags für die SPD. Zum Ende ihrer Wahlperiode wurde sie arbeitslos und startet als Putzfrau neu. Heute leitet sie eine Firma für Haushaltsdienstleistung und ist Stadträtin für eine freie Wählergruppe in Monheim.

Chaos in der Wohnung und gleich kommt Besuch: Was tun?
Im Notfall nur das Gästeklos und den Wohnraum saubermachen. Erst die Toilette, dann aufräumen, zur Not die Sachen ins Schlafzimmer und die Schlafzimmertür zu. Einmal durchsaugen – und schon ist die Unordnung nicht mehr ganz so tragisch.

Was ist der beste Trick?
Staubsaugen wirkt Wunder. Egal ob man einen Teppich hat, Fliesen oder Parkett, es sieht sofort ordentlich aus. Es ist auch wichtig, immer erst zu saugen, bevor man nass wischt. Sonst verteilt man nur den Dreck. Aber der beste Trick ist natürlich, es gar nicht erst zum Chaos kommen lassen.

Und wie macht man das?
Chaos entsteht, indem man alles stehen lässt. Man muss die Sachen einfach sofort wegräumen. Es kommt aber auch auf die Wohnungsgröße an. Auf kleinstem Raum muss man immer für Ordnung sorgen, sonst erstickt man im Chaos, in größeren Wohnungen kann man die Dinge auch mal liegen lassen.

Da geht das vielleicht, wenn man alleine lebt. Aber die Familie ...
Wenn man Kinder hat, ist das natürlich etwas anderes, vor allem bei Teenagern. Ich habe sechs Kinder großgezogen und da waren weiß Gott ein paar Chaoten darunter. Aber ich hatte eine ganz einfache Regelung: Tür zu und Schluss. Meine einzige Bedingung war, dass es nicht unhygienisch wird. Ich habe gesagt: „Leute, ich will hier keine Maden. Wenn das passiert, ist der Teufel los!“ Das hat ja ganz gut funktioniert.

Gibt es denn psychologische Tricks, um ordentlichen zu werden?
Nein. Es gibt Leute, die können das nicht, weil sie kein System haben. DA hoffe ich immer nur, dass die irgendwann mal so viel Geld haben, dass sie sich eine Putzfrau leisten können. Aber ich bin auch nicht dafür, dass man sich jetzt so einen Stress macht. Mir sind die Leute lieber, die eine freie Stunde lieber nutzen, um spazieren zu gehen oder mit ihrem Kind im Sandkasten spielen anstatt zu putzen. Die setzen eben andere Prioritäten, weil sie das glücklich macht. Ich bin glücklich, wenn alles schön sauber ist. Da denken andere, die ist ja bescheuert, aber jeder hat eben seine eigene Art.

„Ich mag Leute, die ihre freie Zeit für einen Spaziergang nutzen. Jeder soll selber wissen, was ihn glücklich macht.“




MICHAEL KASTNER

ist Professor für Organisationspsychologie an der TU Dortmund und wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedien in Herdecke

Was sagt die Ordnung oder Unordnung am Arbeitsplatz über den Mitarbeiter?
Wenig. Die Leute sind einfach unterschiedlich. Man kann natürlich grundsätzlich sagen, dass jemand, der einen ordentlichen Arbeitsplatz hat, auch im Kopf aufgeräumt ist, aber es kommt auch auf die Tätigkeit an. Bei kreativen Berufen kann es durchaus sein, dass es für den Betrachter chaotisch aussieht, aber derjenige, der im Chaos lebt, immer genau weiß, wohin er greifen muss.

Ist Ordnung am Arbeitsplatz also gar nicht so dringend notwendig?
Das hängt sehr von der Tätigkeit ab. Bei einfachen, normierten Abläufen, die sich wiederholen, ist Ordnung extrem wichtig, damit das Zusammenspiel funktioniert. Bei kreativer Arbeit muss das nicht der Fall sein. Im Gegenteil, jemanden der zwanghaft ordentlich ist, kann nur schwer Neues schaffen. Wenn man kreativ ist, hat man spontane Einfälle, die schmiert man vielleicht auf Zettel, die auf dem Schreibtisch liegen. Der höchste Grad der Ordnung besteht dann darin, sie irgendwann in eine Kiste zu schmeißen.

Aber im Büro achtet man doch auf Kleidung auf Auftreten, ist da ein ordentlicher Schreibtisch nicht auch gut fürs eigene Image?
Zwangsordnung ist auch nicht das Wahre, das kann Menschen in ihrer Kreativität stören. Ich kenne das von mir selbst. Mein Schreibtisch sieht bestimmt eher chaotisch aus, aber die Putzfrau weiß ganz genau, dass sie zwar putzen, aber nicht aufräumen darf. Sie muss alles wieder so hinlegen, wie es war. Doch eines muss auf jeden Fall sein: Sauberkeit. Unordnung darf auf keinen Fall Schmutz bedeuten.


„Ordnung oder Unordnung am Arbeitsplatz sagt wenig über die Leistung des Mitarbeiters aus.“