QZ – Neustart am Schreibtisch

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Übersicht ist notwendig – Kaizen im Büro eine Kunst

Dreißig Prozent Produktivitätsreserve haben deutsche Büros – laut Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung, Stuttgart. Demnach verschwendet jeder Büroarbeiter im Mittel 70 Tage seiner Arbeitszeit pro Jahr – auch wegen fehlender Ordnung und geringen Qualitätsverständnisses. Bei der Verschlankung des eigenen Büros unterstützen professionelle Aufräumer, doch mit gezielten Maßnahmen und ein wenig Disziplin kann jeder Schreibtischtäter schon selbst viel erreichen.


Aufräum-Profi Jürgen Kurz von Tempus-Consulting empfiehlt, Veränderungen jederzeit anzugehen. Aber auch die Fraunhofer-Experten raten, vorbeugend zu optimieren, statt erst zu reagieren, wenn das Schreibtisch-Chaos bereits da ist. Kurz’ Seminarteilnehmer erleben, dass sie produktiver sind, wenn der Schreibtisch leer und das Büro klar organisiert ist.

Auch der Chef der Schwäbischen Traumfabrik GmbH in Bad Boll, lernt derzeit, Papiere, die er erst später lesen möchte, in ein eigenes Fach im Schrank oder Schreibtisch zu räumen. Ein Drittel der Unterlagen ist von Sven Oliver Maiers Arbeitsfläche schon verschwunden. Von Zeit zu Zeit soll er den Stapel von unten leeren. Magazine und Zeitungen, von denen er sich nicht trennen kann, soll er in eine Kiste packen und auf den Speicher stellen. „Ist die Kiste nach einem halben Jahr immer noch ungeöffnet – wegwerfen“, sagt Consultant Kurz. 20 Prozent mehr Effizienz verspricht er, weil man Sachen schneller findet und sich der Kopf mit der aktuellen Arbeit beschäftigt, statt abgelenkt zu werden.

Informationen von Kunden und Kollegen, Telefonlisten, Kostenstellenpläne, die immer wieder im Chaos verschwinden oder auf Klebezettel geschrieben werden, die den Bildschirm umwuchern – „Stecken Sie diese doch einfach in einen Folienordner“, rät Kurz. Der Bildschirm wird wieder sichtbar, und auch andere Mitarbeiter wissen, wo sie wichtige Telefonnummern finden. Laut Fraunhofer-Studie vergeuden Büroarbeiter fast zehn Prozent ihrer Arbeitszeit durch überflüssige oder fehlende Arbeitsmaterialien oder ständiges Suchen nach dem richtigen Dokument in chaotischen Dateiverzeichnissen.

Ordnung fängt bei den Büroutensilien an, weiß der Aufräum-Profi aus Giengen. Stifte & Co. gehören in die oberste Schublade – am besten in einen Rollcontainer, in dem auch Tacker, Tesa und Konsorten ihren Platz finden. Das Motto lautet: Alles hat einen Platz, alles hat seinen Platz.

Schließlich besucht ein Aufräumer aus Jürgen Kurz’ Team den Matratzenhersteller in Bad Roll. Kurz spricht mit dem Chef ab, dass der am Abend vor dem Aufräumtag unangemeldet durch die Büros läuft und Fotos macht. „Niemand soll bloßgestellt werden. Ich will die ungeschminkte Schreibtischwahrheit dokumentieren“, sagt Kurz. Seine anschließenden Ratschläge haben es in sich: Alle Ablageschalen bis auf eine können vom Schreibtisch. Dort hinein gelangen nur aktuelle Unterlagen. Die werden jeden Tag abgearbeitet oder abgelegt. Unterlagen zu laufenden Projekten kommen für den schnellen Zugriff klar gegliedert in Hängeordner oder Fächermappen.

Ganz wichtig ist die Beschriftung, denn auch die Vertretung soll sich ohne Suchen zurechtfinden. „Am wichtigsten fand ich das Ausmisten und Wegwerfen. Das hat was Befreiendes“, berichtet ein Mitarbeiter, der sich um die Warenbestellungen des Unternehmens kümmert. „Es ist schon beeindruckend, was wir ansammeln, ohne es wirklich zu brauchen.“ Sein Schreibtisch ist jetzt ordentlicher und im Archiv mehr Platz. Zukünftig will sich der 33-Jährige mindestens einmal im Jahr die Zeit nehmen, Verzichtbares zu identifizieren und damit den Schredder zu füttern. Der Aufräumexperte legte offen, dass viele Dokumente doppelt, nämlich elektronisch und in Papierform archiviert sind. Eine gute Datensicherung macht die Papierablage überflüssig.

Auf den Tisch gehören stets nur die Unterlagen für die gerade zu erledigende Arbeit. Für den Rest rät Jürgen Kurz zu einem Wiedervorlagesystem im Rollcontainer unter dem Tisch: So habe man am Feierabend immer eine leere Schreibfläche.

Den Erfolg des Büro-Kaizens machen die simplen, aber fortlaufend umgesetzten Maßnahmen aus. Bei der Matratzen-Manufaktur weiß jetzt jeder, dass Unterlagen für Kollegen in deren Posteingangsschale gehören – und zwar ausschließlich dorthin. Wer morgens in sein Büro kommt, braucht neben den E-Mails nur diese Schale zu checken. Das erleichtert systematisches Abarbeiten. Doppelablagen war gestern, darauf achten alle. Traumfabrik-Chef Maier selbst will es bei der einmaligen Aktion nicht belassen: Im zweiten Schritt will er mit den Mitarbeitern Spielregeln vereinbaren, damit die Ordnung auch dauerhaft erhalten bleibt. „Der nächste Termin mit dem Aufräumexperten steht schon fest – damit wir noch ein bisschen besser werden.“



Leila Haidar, Stuttgart



Praxistipps: Für einen aufgeräumten Arbeitsplatz

Wie verschaffen sich Schreibtischtäter einen dauerhaft sauberen Arbeitsplatz?

  • Posteingang: Eine Ablageschale für Wichtiges reicht. Das verkürzt Suchzeiten und Stress, und man braucht morgens nur einen Ort zu checken.
  • Unterlagen zum Lesen: Für später zu lesende Unterlagen wird ein eigenes Fach im Schrank oder Schreibtisch angelegt. Es wird von Zeit zu Zeit von unten geleert. Magazine und Zeitungen, von denen man sich nicht trennen kann, werden in eine Kiste gepackt und auf den Speicher gestellt. Ist die Kiste nach einem halben Jahr noch ungeöffnet, wird sie weggeworfen.
  • Wichtige Infos und Kontakte: Informationen von Kunden und Kollegen, Telefonlisten, Kostenstellenpläne etc. werden in einen Folienordner gesteckt. So finden auch andere Mitarbeiter die wichtigen Telefonnummern.
  • Büroutensilien: Stifte & Co. gehören in die oberste Schublade – am besten in einen Rollcontainer, in dem auch Tacker, Klebefilm und Konsorten ihren Platz finden. Motto: Alles hat einen Platz, alles hat seinen Platz.
  • Eigene Aufgaben: Auf den Tisch kommen nur Unterlagen für die gerade zu erledigende Arbeit. Für den Rest gibt es ein Wiedervorlagesystem im Rollcontainer unter dem Schreibtisch. Wer so arbeitet, hat am Feierabend immer eine leere Schreibfläche.
  • Gemeinsame Projekte mit Kollegen: Ablageorte werden gemeinsam festgelegt. Der Platz dafür ist nicht auf dem Schreibtisch. Wichtig: Niemand wird überrumpelt. Orte und Systeme werden im Team entwickelt. Das erhöht die Akzeptanz. Vor allem: Regeln werden künftig eingehalten.
  • Termin- und Aufgabenverwaltung: Aufgaben und Projekte werden mit einem Zeitplanbuch oder elektronischen Planern verbunden. So geht kein Termin verloren. Am Abend werden die Tops des nächsten Tages gecheckt. So geht man ruhig in den Feierabend.



Literatur:

Brunner, A.: Ordnung ins Chaos
Carl Hanser Verlag, München 2013
www.hanser.de/978-3-446-43448-6

Kurz, J.: Für immer aufgeräumt – Zwanzig Prozent mehr Effizienz im Büro
Gabal Verlag, Wiesbaden 2011
www.buero-kaizen.de

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