KMK – Schon heute mit der Zukunft beginnen

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Selbstbestimmtes Arbeiten richtig umsetzen

Selbstbestimmt arbeiten zu können – davon träumen viele. Und das nicht nur, weil sie sich das selbstbestimmte Arbeitsleben viel angenehmer und stressfreier vorstellen als den oft starren, weisungs- und strukturgebundenen Büroalltag. Es ist viel mehr und es wird einer der wichtigen Bausteine für die Zukunft der Arbeit sein. Auch für die Unternehmen selbst wird es der Weg in die Zukunft sein. Doch schon jetzt könnten selbstbestimmte Arbeitsstrukturen häufiger umgesetzt werden als das bisher passiert.


Starre Strukturen aus der Vergangenheit

Die meisten Jobs in Unternehmen sind nicht selbstbestimmt, sondern weisungsgebunden und in einen strikt durchgeplanten Arbeitsablauf integriert. Dieser Ablauf orientiert sich aber häufig noch an alten Strukturen, nach denen man zu einer sehr frühen Uhrzeit zu arbeiten begann, zu festgesetzten Zeiten Pausen machte und nach neun Stunden Feierabend hatte. Effizient war und ist das aber längst nicht immer.

Doch schon jetzt könnten selbstbestimmte Arbeitsstrukturen häufiger umgesetzt werden als das bisher passiert.

Mit der Moderne hat sich auch der Lebenswandel verändert. Menschen haben heute andere Vorstellungen von Arbeit und Privatleben. Dank der Digitalisierung könnten manche dieser Vorstellungen auch heute schon in die Realität umgesetzt werden. Aber die Unternehmen hinken noch hinterher, was nicht nur zu Lasten moderner Gestaltung von Arbeitswelten geht, sondern auch zu Lasten der Effizienz im Betrieb selbst.

Selbstbestimmtes Arbeiten „leicht gemacht”

Selbstbestimmt arbeiten kann man auf vielerlei Weise. Dazu gehört unter anderem mehr Verantwortung, freiere Zeiteinteilung und auch eine freiere Wahl des Arbeitsortes. Ihnen als Führungskraft und Leitungsperson mögen sich nun alle Haare sträuben und das Aber liegt Ihnen schon auf der Zunge. Doch das ist nicht nötig. Selbstbestimmtes Arbeiten lässt sich ohne befürchtete Reibungsverluste integrieren. Ich möchte Ihnen hier drei Tipps geben, die es Angestellten erlauben, selbstbestimmt(er) zu arbeiten, und die zu mehr Effizienz führen.

1. Tipp: Lernen Sie Ihre MitarbeiterInnen wirklich kennen.
Es beginnt eigentlich mit einer recht simplen Frage: Wie gut kennen Sie Ihre MitarbeiterInnen? Und weitere Fragen sind nötig: Wissen Sie, was Ihre MitarbeiterInnen wirklich können? Welche Arbeit ihnen liegt? Welche Herausforderungen sie bei der Arbeit und im familiären Umfeld haben? Wie gut sie eigenständig arbeiten können? Wie viel Verantwortung ihnen (fachlich und bei dem aktuellen Gehalt) zuzumuten ist? Wie viel Verantwortung sie gerne übernehmen würden? Welche Fähigkeiten sie haben, die für ihre Arbeit und Ihr Unternehmen interessant sein könnten, die aber nicht abgerufen werden?

In einem ersten Schritt ist es unabdingbar, dass Sie Ihre MitarbeiterInnen kennenlernen. Finden Sie heraus, welche Arbeit sie genau machen, welche Prozesse ihre Arbeit bestimmen, was sie besonders gut können und tun, und in welchen Bereichen sie aufgrund ihrer Fähigkeiten noch viel mehr tun könnten. Werden Sie dabei ruhig etwas persönlicher. Denn selbstbestimmt zu arbeiten geht tiefer als nur bis zum Büroschreibtisch. Viele Väter möchten z. B. gerne mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen
können, viele Erwachsene übernehmen die Pflege von Angehörigen – solche familiären Herausforderungen müssen Sie kennen, um darauf reagieren zu können. Es gibt heute viele Möglichkeiten für Mitarbeiter- Innen, solche Herausforderungen mit ihrer Arbeit in Einklang zu bringen. Zu Ihrem Vorteil. Denn diese fallen nicht aus, im Gegenteil sie sind dankbar und hoch motiviert.

Legen Sie sich ein erweitertes Wissensprofil von allen MitarbeiterInnen an, pflegen Sie dieses regelmäßig1. Oder nutzen Sie eine Mindmap, um sich Klarheit über berufliche und private Themen Ihres Teams zu verschaffen. In meinem Artikel „Ach, was wissen die denn schon! – Warum vielen Unternehmen wertvolles Knowhow entgeht” habe ich Ihnen zum Abfragen des Knowhows Ihrer Angestellten auch noch weitere Tipps zusammengestellt.

2. Tipp: Analysieren Sie Ihre Einrichtung nach den Möglichkeiten.
Mit dem Wissen um das, was Ihre MitarbeiterInnen leisten können und wollen, überprüfen Sie nun Ihr Unternehmen oder Ihre Institution. Verstricken Sie sich dabei nicht in „Das wurde aber schon immer so gemacht”-Gedanken, sondern seien Sie offen für neue Möglichkeiten, neue Wege. Auch wenn es schwer oder unmöglich scheint. Schauen Sie, wo es Möglichkeiten für ein selbstbestimmtes Arbeiten geben könnte. Wie könnte diese Selbstbestimmung im Einzelnen aussehen? Wäre Gleitzeit möglich oder gar freie Zeiteinteilung und freie Wahl des Arbeitsplatzes (zu Hause oder im Büro)? Oder hieße das sogar „selbstbestimmt” Projekte – also selbstverantwortlich – umzusetzen? Könnte es Möglichkeiten geben, Projekte selbstbestimmt in Arbeitsgruppen zu erarbeiten, anstatt wie bisher linear und hierarchisch? Wie sieht es mit den Prozessen aus – lassen diese sich so flexibel gestalten, dass die MitarbeiterInnen selbstbestimmter daran arbeiten können?

Verstricken Sie sich nicht in „Das wurde aber schon immer so gemacht“-Gedanken, sondern seien Sie offen für neue Möglichkeiten, neue Wege.

An welchen Stellen müssten Sie umstrukturieren, Zuständigkeiten bewegen, modernisieren, an der Effizienzschraube drehen? Wie könnte dieser neue Weg aussehen? Welche Kosten und Einsparungen würde er mit sich bringen? Welche Investitionen wären nötig? Wer muss noch überzeugt werden – etwa Hierarchien in öffentlich-rechtlichen Strukturen? Welche Argumente dafür können Sie dabei vorbringen? Wie können Sie Bedenken entgegentreten?

3. Tipp: Schaffen Sie die Grundlagen.
Haben Sie schon Wege gefunden, um es Ihren MitarbeiterInnen zu ermöglichen, selbstbestimmt(er) zu arbeiten, dann wird das natürlich nicht automatisch reibungs- und problemlos funktionieren. Ein paar grundlegende Regeln sollten Sie dafür schon aufstellen. Hier ein paar Beispiele:

Datenschutz.
Wenn MitarbeiterInnen z. B. jederzeit auch von zu Hause arbeiten können, muss der Datenschutz gewährleistet sein. Stellen Sie sicher, dass diese MitarbeiterInnen eine gründliche Datenschutz-Schulung erhalten und die Rechner, an denen sie im Homeoffice arbeiten, den Datenschutzbestimmungen Ihres Unternehmens und den staatlichen entsprechend mit Firewalls, Viren- und Malware-Schutz, Passwörtern etc. ausgestattet sind.

Kommunikation.
Selbstbestimmt arbeitende MitarbeiterInnen müssen genauso in die Kommunikationsstruktur des Unternehmens eingebunden sein wie alle anderen auch. Die Kommunikationswege müssen der neuen Situation angepasst werden, damit Memos ankommen und Telefonate weitergeleitet werden. Aber auch, damit der Austausch über Projekt-Fortschritte, Schwierigkeiten beim selbstbestimmten Arbeiten und ganz normale Unternehmensneuigkeiten weiterhin gewährleistet ist. Und damit Daten und Dokumente bspw. über das Intranet auch allen anderen zugänglich sind und bleiben. Machen Sie Jour Fixe-Meetings zur Bedingung. Legen Sie auch einzelne Gesprächstermine mit Ihren MitarbeiterInnen fest, um mit ihnen über ihren persönlichen Fortschritt zu sprechen.

Verlässlichkeit.
Selbstbestimmt arbeiten – so herrlich das klingt, so wichtig ist aber auch, dass die MitarbeiterInnen verlässlich bleiben. Denn Verlässlichkeit ist das Tüpfelchen auf dem i, das Sie von der gesamten Konkurrenz abheben kann. Legen Sie die Grundsätze fest, die eine Verlässlichkeit garantieren. Ob in der selbstbestimmten Projektarbeit oder dem Home Office – diese Grundsätze bilden dann die Basis für den reibungslosen Ablauf mit den anderen Abteilungen, mit der Kundschaft und den Lieferanten.

Grundsätze für die Zukunft

1. Zwingen Sie niemanden dazu, selbstbestimmt zu arbeiten.
Manche laufen bei selbstbestimmter Arbeit erst zu großer Form auf. Andere aber kommen mit zu viel Selbstbestimmtheit nicht so gut klar, weil sie festere Strukturen und Vorgaben bevorzugen. Und manche wollen aus vielerlei Gründen auch gar nicht mehr Verantwortung übernehmen. Stellen Sie es deshalb allen frei, wie viel Selbstbestimmung sie im Rahmen des betrieblich Möglichen übernehmen möchten.

2. Bleiben Sie flexibel.
Das selbstbestimmte(re) Arbeiten im Betrieb einzuführen darf nie bedeuten, dass das jetzt alles für die Ewigkeit festgeschreiben ist. Bleiben Sie offen und flexibel, um auf die Bedürfnisse Ihrer MitarbeiterInnen zu reagieren. Hat sich jemand vielleicht ursprünglich gegen selbstbestimmtes Arbeiten ausgesprochen, kann ein Notfall in der Familie doch noch dazu führen, dass Sie es diesem Mitarbeiter ermöglichen, dass er von zu Hause aus arbeitet, um sich um seine pflegebedürftigen Angehörigen zu kümmern. Auch umgekehrt sollten Sie flexibel bleiben. Stellt eine Mitarbeiterin fest, dass ihr das selbstbestimmte Arbeiten doch nicht liegt, sollte es ihr möglich sein, weitgehend in ihre alten Strukturen zurückkehren zu können.

Die Früchte, die Sie ernten können

Es bedeutet so manchen Aufwand, um die MitarbeiterInnen selbstbestimmt arbeiten zu lassen. Aber wann war Modernisierung und Optimierung jemals nicht mit Aufwand verbunden? Dass er sich tatsächlich lohnen kann, dieser Aufwand, dafür gibt es viele Beispiele.

Das selbstbestimmte Arbeiten kann z. B. die Zufriedenheit der Angestellten erhöhen. Sie werden gehört, sie werden ernst genommen, und ihre Ideen zählen im Unternehmen. Selbstbestimmtes Arbeiten befördert auch das Mitdenken der MitarbeiterInnen. Sie werden aktiver in das Unternehmen eingebunden und entwickeln eine stärkere Bindung an den Betrieb. Deshalb wird eine Haltung wie „Ist mir alles egal, Hauptsache am Ende des Monats ist das Geld auf dem Konto” immer seltener, je selbstbestimmter die MitarbeiterInnen arbeiten dürfen. Und auf diese Weise wird die Effizienz gesteigert, denn es wird immer weniger Leute geben, die einfach nur den Arbeitstag hinter sich bringen wollen und auf der Schreibtischunterlage schon die Tage abzählen, bis sie endlich in den Urlaub fahren können.

Auch für die MitarbeiterInnen hat selbstbestimmtes Arbeiten Vorteile. Zum einen können sie flexibler werden, was ihnen besonders (aber nicht nur) in der Zeit der Familiengründung die Möglichkeit gibt, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen, anstatt dies nach traditionellem Muster allein den Müttern, Großmüttern und Erzieherinnen zu überlassen. Dadurch steigt die Lebensqualität erheblich. Aber auch die Tatsache, dass Sie ihnen mehr zutrauen, ihnen wichtigere oder komplexere Arbeit anvertrauen, dass Sie das Vertrauen in sie setzen, dass sie Projekte gut und verlässlich abschließen werden – das allein kann schon bewirken, dass sie sehr viel mehr Spaß an ihrer Arbeit haben und sich viel stärker für das Unternehmen engagieren. Auch das kann ihre Lebensqualität und Zufriedenheit deutlich steigern.

Mein Extra-Tipp

Was Sie bei all dem aber nicht aus den Augen verlieren sollten, sind Ihre Unternehmensziele. Beziehen Sie künftig das selbstbestimmte Arbeiten mit ein. Überprüfen Sie regelmäßig, inwieweit das selbstbestimmte Arbeiten die Unternehmensziele vorangetrieben hat, welche Möglichkeiten es noch eröffnet, aber auch, was vielleicht nicht oder nicht so gut funktioniert hat und womöglich einen kleinen Rückschritt bedeutet. Geben Sie dem selbstbestimmten Arbeiten aber Zeit. Ihre Angestellten werden sich erst daran gewöhnen müssen, was diese Selbstbestimmung in jeder Hinsicht bedeutet und mit sich bringt. Kippen Sie das Projekt nicht schon bei den ersten Anzeichen, dass es schwierig werden könnte. Besprechen Sie stattdessen mit Ihren Angestellten die Unternehmensziele und fragen Sie sie, inwiefern sie mit ihrer neuen selbstbestimmten Arbeitsweise zu diesen Zielen beisteuern können. Schließen Sie dann mit den Betreffenden eine Zielvereinbarung ab, die beiden die Grundlage für das gibt, was kommt: für das Vertrauen, das Sie in sie setzen, und für die Arbeit, die die Angestellten abliefern.


Jürgen Kurz