DieBank.de – Nie mehr Zettelwirtschaft

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Autor: Jürgen Kurz

Die Kugelschreibersuche nimmt kein Ende. Der Poststapel frisst wichtige CD-Roms. Ein gelber Post-it-Rahmen schmückt den PC-Bildschirm – trotz digitaler Arbeitsplätze kämpfen immer noch zu viele Büromenschen gegen das alltägliche Chaos. Höchste Zeit für das Ende überquellender Ablagen. Denn ein freier Schreibtisch fördert die Effizienz, und eine perfekte Organisation der Arbeitsabläufe steigert die Karrierechancen.

Phänomen Volltischler: Vollgeschüttete Schreibtische machen ihre Besitzer unglücklich und sind ein Störfaktor in der Unternehmensorganisation. Inzwischen beschäftigen sich Forscher mit dem Thema und gewinnen erhellende Erkenntnisse. Nach einer Studie des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IAO) zum „schlanken Büro” werden fast 10 % der Arbeitszeit durch „überflüssige oder fehlende Arbeitsmaterialien” oder „ständiges Suchen nach dem richtigen Dokument in chaotischen Dateiverzeichnissen” verschwendet.

In der Summe entfallen auf die von Wissenschaftlern validierte Zeitverschwendung in unprofessionell organisierten Büros 30 % der Arbeitszeit. Das sind mehr als 70 Tage pro Jahr. Ein Schreckensbefund für alle Personalchefs. Um den Misstand zu bekämpfen, sind Organisationsexperten gefragt. Unter dem Stichwort „Kaizen” wird aufgeräumt. Der Begriff stammt aus dem Japanischen und setzt sich zusammen aus den Worten „kai” (Veränderung) und „zen” (zum Besseren). Kaizen ist ein Prozess ständiger Verbesserungen, die sich in Form vieler kleiner Schritte vollziehen. Einzelne Maßnahmen sind einfach zu realisieren, da sie nicht mit aufwändigen technologischen Umgestaltungen verbunden sind, keine Investitionskosten verursachen und ihr Risiko überschaubar ist.

Verlorene Zeit
Der Abschied vom Chaos beginnt beim eigenen Schreibtisch. Über das Möbel, an dem etliche Mitteleuropäer mehr Zeit verbringen als mit dem eigenen Ehepartner, verfügen nach Untersuchungen eines Kölner Büro-Optimierers immerhin 18 Mio Deutsche. Hinzu kommen 2 Mio private PC- bzw. Schreibtische. Laut einer aktuellen Studie eines großen Büroartikelhändlers kann ein chaotischer Arbeitsplatz ein Karrierekiller sein. Immerhin vier Fünftel aller befragten Geschäftsführer größerer Unternehmen in Deutschland sehen einen direkten Zusammenhang zwischen Ordnung und Produktivität. Die Erfahrung zeigt auch, dass ordentliche Mitarbeiter bei Beförderungen bevorzugt werden.

Nach dem eigenen Schreibtischverhalten gefragt, neigen Büroarbeiter zur Schönfärberei. Auf die Frage „Wie schätzen Sie Ihre eigenen Fähigkeiten in punkto Ordnung und Organisation ein?” antwortet fast die Hälfte der Befragten: „Ich bin stets perfekt organisiert.” Und fast zwei Drittel halten sich gar für ein „Organisationstalent”, während sich der Rest als „latenter Chaot” oder als „hoffnungsloser Fall” outet. Die haben es aber in der modernen Bürowelt schwer. Denn der individuelle Arbeitsplatz verziert mit Blumenstock und Familienfoto gehört zumindest nach Meinung effizienzliebender Büroforscher der Vergangenheit an.

Die Zukunft gehört den Standards
Die Zukunft gehört vielmehr den Standards. Ihnen lastet zwar der Ruf an, sie seien steril und würden Kreativität einschränken. In Japan hingegen heißt es: „Ein Standard ist die einfachste, leichteste und sicherste Art und Weise, etwas zu tun.”

Auf das Büroumfeld übersetzt heißt das: Jeder Notizzettel, Locher, Tacker, die Eingangspost, Unterlagen temporärer Projekte und dergleichen mehr brauchen einen idealen Platz. Diese reduzieren nicht nur Suchzeiten. Aufräumzeiten schrumpfen ebenfalls, da bei standardisierten Plätzen Utensilien schnell zurückgestellt werden können. Im Sinne einer abteilungsweiten Verbesserung können einzelne dieser Standards auch für allgemeingültig erklärt werden, was den Nutzen nochmals steigert. Wichtig ist bei gemeinsam vereinbarten Regeln vor allem, dass beteiligte Mitarbeiter sie akzeptieren und befolgen. Nur dann ist es möglich, effizient zu arbeiten.

Ein weiteres Verbesserungsfeld ist die Ablageschale. Viele Leute arbeiten mit mehreren, nicht sinnvoll gekennzeichneten Körben: Hinweise wie „Wichtig”, „Später” oder „Sonstiges” verraten nur dem Eigentümer, was darin liegt. Wo legen Kollegen einen wichtigen Brief hinein oder wie findet man ein Angebot, bei dem in einer Woche nachgehakt werden soll? Der Tipp: Oft reicht eine Ablageschale. Das verkürzt Suchzeiten und Stress.

Diese eine Ablage fungiert als Posteingang und sammelt alle Unterlagen, die zugehen. Ist das Körbchen mit Namen und Abteilung beschriftet, erleichtert das neuen Kollegen, Praktikanten und Aushilfen die Orientierung. Jetzt gilt es, den Posteingang mindestens einmal pro Tag zu sichten. Alles, was innerhalb von fünf Minuten erledigt werden kann, wird sofort erledigt. Die anderen Vorgänge erhalten einen Termin und wandern in eine Zwischenablage. Wer so arbeitet, hat am Feierabend immer einen leeren Posteingang.

Das gilt auch, wenn der Betroffene unterwegs ist. Er muss sicherstellen, dass seine Vertretung den Posteingang sichtet und das abarbeitet, was sie erledigen kann. Wo dies nicht möglich ist, muss die Vertretung den Abwesenden informieren oder den Absender kontaktieren, um zu besprechen wie es weitergehen soll.

Wenn es jemand auf Dauer nicht schafft, sein Postfach abzuarbeiten, ist er überlastet. Meist liegt es nicht am Arbeitstempo, vielmehr sind solche Staus Indikatoren für Prozesse, die nicht mehr passen. Beispielsweise ist ein Bereich zu schnell gewachsen und die Strukturen sind nicht angepasst. Bis zur Aufklärung, woher die Überlastung kommt, braucht der Mitarbeiter Hilfe, damit der Gesamtprozess nicht ins Stocken gerät.

„Nonterritoriale Arbeitsplätze”
Ein Trend in der Bürowelt sind mobile, ortsungebundene Büromenschen. Sie beziehen einen funknetzfähigen Arbeitsplatz auf Zeit, der mit geputzter Platte übergeben wird. Im eigens entwickelten Rollcontainer dieser „nonterritorialen Arbeitsplätze” sollen alle persönlichen Produktionsmaterialien am Ende des Tages abtauchen. In eigenen Labors lässt beispielsweise ein deutscher Kommunikationskonzern solche chaosresistenten Arbeitsplätze erforschen, bei denen auch der virtuelle Desktop immer aufgeräumt zu sein hat.

Solche nicht einer einzelnen Person zugeordneten Schreibtische haben einen entscheidenden Nachteil: Sie geben dem Büroarbeiter keine Heimat – und die braucht er, um sich wohl zu fühlen. Stattdessen hilft ein mehrstufiger Check schrittweise, das alltägliche Durcheinander zu überwinden:

  • Anfertigung eines Digitalbildes des derzeitigen Schreibtisches und Büros. Erkenntniswert: So sehen uns Kunden, Lieferanten und der Chef.
  • Anschaffung einer großen Altpapierkiste.
  • Auf dem Tisch immer nur den einen Vorgang ausbreiten, der gerade bearbeitet wird. Schnellhefter, Heftklammer, Tesafilm und sonstige Helfer in der Schublade
    verstauen. Post-it-Zettel und andere Notizen wandern in ein eigenes Handverzeichnis.

  • Abfall auf Probe. In einer Box alles sammeln, was in den letzten zwei Jahren nicht benutzt wurde. Kiste im Abstellraum deponieren und nach zwei erneuten Jahren
    ohne Benutzung wegwerfen.

Enttarnt ist nach Expertenmeinung dagegen die Ausrede, dass Kreativität nur im Chaos wachse. Denn echte Schreibtischtäter zitieren gerne Albert Einstein, demzufolge das Genie das Chaos beherrscht. Fraunhofer-Untersuchungen belegen das Gegenteil: Geordnete Schreibtische steigern die Effizienz um bis zu 20 %. Warum? Ganz einfach: Stapel drücken auf das Gemüt – ein freier Schreibtisch dagegen schafft einen freien Kopf.