Das „Eisbergmodell der Kommunikation“ hilft, Konflikte achtsamer zu vermeiden und bestehende konstruktiver zu lösen


Was haben die Titanic, ein Eisberg und die Kommunikation gemeinsam? Richtig, eine katastrophale Havarie, die besser hätte vermieden werden sollen. Dabei verdeutlicht das Eisbergmodell der Kommunikation ganz einfach, dass nur 20 % einer zwischenmenschlichen Kommunikation verbal und rational „sichtbar“ sind und ausgesprochen werden. 80 % hingegen passieren auf einer nonverbalen, vor- und unbewussten Beziehungsebene, die von Einstellungen, Erfahrungen, der momentanen Stimmungslage, Sympathien, Motiven etc. geprägt ist. Und wenn diese unsichtbare Beziehungsebene gestört ist, dann hat das auch unweigerlich konflikthafte Auswirkungen auf die verbale Sachebene.

  • Für die Alltagspraxis bedeutet das also: Eisberge immer ernst nehmen, die Fahrt drosseln und mit ausreichend Sicherheitsabstand umschiffen!
  • Was das Eisbergmodell der Kommunikation genau besagt und wie Sie eine „konstruktive Laserkanone“ verwenden können, um die Eisberge im Weg wirkungsvoll wegzuschmelzen, zeigen wir Ihnen hier in diesem Büro-Kaizen-Beitrag!

(Lesedauer ca. 7 Minuten)

1. Das „Eisbergmodell“ gibt es in der Kommunikation, Psychologie, Pädagogik, BWL etc.

Es gibt nicht das „Eisbergmodell der Kommunikation“. Viele verschiedene Disziplinen verwenden das griffige Bild eines Eisbergs, um plakativ zu verdeutlichen, wenn nur ein Teil des Ganzen sichtbar ist, während sich ein weit größerer Teil davon unsichtbar unter der sichtbaren Oberfläche verbirgt. Es handelt sich somit nicht um eine wissenschaftliche Theorie, sondern um eine Metapher bzw. Analogie, die von vielen verschiedenen Theorien genutzt wird, um deren Aussage anschaulicher zu verdeutlichen.

  • Dementsprechend wird das Bild eines Eisbergs nicht nur in der Kommunikationstheorie für die zwischenmenschliche Kommunikation und Interaktion angewendet, sondern auch in der Psychologie (Persönlichkeitsmodell), der Soziologie (Konfliktursachenforschung), der Pädagogik (Lernpsychologie), der Betriebswirtschaftslehre (Projektmanagement, Organisationsentwicklung, Unternehmenskultur) und einigen mehr.
  • Das ist auch der Grund, warum es keine einheitliche Definition für ein „Eisbergmodell der Kommunikation“ gibt. Das Bildnis ist dennoch sehr hilfreich, um einige wesentliche Bestandteile und Komponenten unseres zwischenmenschlichen Kommunikationsverhaltens zu verdeutlichen, die uns helfen, produktiver, effizienter, erfolgreicher, konfliktärmer und auch freundlicher zu sein.

2. Wer hat das Eisbergmodell der Kommunikation denn wann entwickelt?

Mittlerweile ist es Standard, das Eisbergmodell als einfache Verdeutlichung für die sichtbaren und unsichtbaren Anteile eines Gegenstandes, einer Organisation oder auch eines Prozesses wie der Kommunikation zu verwenden. Die Urheberschaft wird dabei im Allgemeinen drei verschiedenen Vätern zugeschrieben.

  1. Die ursprüngliche Idee: Der US-amerikanische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Ernest Hemingway hatte die Metapher eines Eisbergs als Erster in den 1930er Jahren publikumswirksam verwendet. In seinem Modell ging es aber weniger um die Kommunikation, sondern vielmehr um eines seiner literarischen Stilmittel. In den Worten Hemingways soll die Eisbergmetapher ausdrücken, dass ein Autor nicht sämtliche Details eines Charakters beschreiben muss. Es reiche vollkommen aus, wenn die Leser nur einen Teil davon erkennen können, ganz ähnlich wie bei einem im Wasser treibenden Eisberg.
  2. Der theoretische Hintergrund: Der österreichische Arzt, Neurophysiologe und Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud gilt allgemein als Schöpfer des Unbewussten. Seine Werke in den 1910er und 1920er Jahre haben die Rolle des Unbewussten in dem Denken und Handeln jedes Menschen einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Obwohl Freud selbst nie in keinem seiner Werke oder Theorien das Modell eines Eisbergs verwendet hat, trägt die Aufteilung des Eisbergmodells in bewusste und unbewusste Anteile seine deutliche Handschrift.
  3. Das konkrete Modell: Der österreichischer Philosoph, Psychotherapeut und Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick (u.a. Stanford University) war dann der Erste, der das plakative Modell eines Eisbergs Ende der 1960er Jahre auf die Kommunikationstheorie angewendet hat. Durch die viel zitierten und einflussreichen Psychologen Philip Zimbardo und Floyd Ruch fand das Eisbergmodell dann in den 1970er Jahren Einzug in die Lehrbücher und weit darüber hinaus Anwendung.

3. Die Bedeutung des Eisbergmodells in der Kommunikation (einfach erklärt)

Das Eisbergmodell soll symbolisieren, dass bei einer Kommunikation zwischen Menschen nur ein kleiner Teil der relevanten Informationen konkret verbal ausgetauscht und besprochen wird. In Form von konkreten Aussagen, Zahlen, Daten und Fakten. Dies ist die sogenannte sichtbare Sachebene. Der deutlich größere Anteil der Kommunikation läuft jedoch in den Köpfen der Gesprächspartner ab und wird allenfalls nonverbal in Form von Gesten, Mimik und Tonfall transportiert. Dies ist die sogenannte nonverbale Beziehungsebene.

  • Diese Beziehungsebene umfasst so unterschiedliche vorbewusste und unbewusste Aspekte wie Motive, Emotionen, Werte, Glaubenssätze, Erwartungen, Erfahrungen oder auch Instinkte, Triebe, Stimmungen und Traumata, die alle individuell unterschiedlich sind und auch situationsabhängig geprägt werden.
  • Diese Aspekte werden nicht verbal ausgesprochen, also nicht mit Worten transportiert, sind aber dennoch für die Haltung eines Kommunikationsteilnehmers relevant und fließen damit sehr wohl in die Kommunikation mit ein.
  • Die Verteilung zwischen sichtbarer Sachebene und unsichtbarer Beziehungsebene wird allgemein mit 20 % zu 80 % angegeben.
Das Eisbergmodell der Kommunikation (Sach- und Beziehungsebene)
Beim Eisbergmodell der Kommunikation wird zwischen der Sachebene (bewusste Kommunikation) und der Beziehungsebene (unbewusste Kommunikation) unterschieden.

4. Warum 20 % vs. 80 %? Was hat das Pareto-Prinzip mit Eisbergen zu tun?

Vergleich zwischen Eisbergmodell und Pareto-Prinzip

Paul Watzlawick hat sein Eisbergmodell für die Kommunikationstheorie zunächst mit 10 % bewussten und 90 % unbewussten Anteilen entwickelt. Aufgrund des Erfolgs der 80/20-Regel des Pareto-Prinzips (und dem Wunsch des Menschen nach einem kontrollierenderen Selbstbild) hat sich dann die Verteilung 20 % bewusst und 80 % vorbewusst und unbewusst durchgesetzt. Wie hoch der Prozentsatz jedoch tatsächlich ist, hängt dabei ganz individuell von der Situation und den Beteiligten ab.

  • Nice Fact: Wie weit ein Eisberg tatsächlich aus dem Wasser ragt, und wie groß der Anteil Unterwasser ist, variiert übrigens je nach Salzgehalt des Wassers und der Temperatur. Das physikalische Prinzip dahinter lässt sich jedoch einfach berechnen.
  • Die durchschnittliche Dichte des Eises beträgt 0,920 kg pro Liter, die von Meerwasser im Schnitt 1,025 kg pro Liter.
  • Demzufolge liegen durchschnittlich exakt 0,8975609756097561 Prozent eines Eisbergs nicht sichtbar unterhalb der Wasseroberfläche.

Die Grenzen des Eisbergmodells – hier wird es ungenau

  • Die verbalisierte sichtbare Sachebene muss nicht zwangsläufig auch für den anderen Gesprächspartner sichtbar sein: Wenn der Sender sich unklar ausdrückt oder der Empfänger es nicht oder falsch versteht, kommt es unweigerlich zu sachlichen Missverständnissen. Solche Konflikte sind jedoch inhaltlicher Natur und können vergleichsweise leicht ausgeräumt werden (siehe unten).
  • Unbewusste Anteile müssen nicht zwangsläufig unsichtbar sein: Manche unbewussten Anteile sind zwar nicht für die betreffende Person selbst, aber dafür vom Gegenüber gut erkennbar, z. B. bei einer Traumatisierung. Aber auch Nervosität, Ablehnung, Zurückhaltung, Scheu, Impulsivität etc. lassen sich anhand der Körpersprache, Mimik, Tonlage oder den Tonfall erkennen, ohne dass dies dem Sender selbst bewusst sein muss.
  • Es ist niemals möglich, die gesamte Beziehungsebene zu überblicken: Auch wenn wir noch so sehr auf die kleinsten Hinweise achten. Wir können einfach nicht in den Kopf der anderen hineinsehen, kennen deren Vita nicht und können auch keine Gedanken lesen. Als alleiniges Mittel zum Auflösen von „Unterwassereisbergkonflikten“ oder Animositäten bleibt nur das wertschätzende Nachfragen, geduldige Zuhören und lösungsorientierte Kompromisseschließen.

Studie mit der AKAD Hochschule

5. Fazit: Die Vorteile des Eisberg-Kommunikationsmodells in der Praxis (Beruf und Alltag)

Laut der Kommunikationspsychologie reicht es einfach nicht aus, sich nur auf das Gesagte zu konzentrieren. Wer Missverständnisse und Zerwürfnisse vermeiden will, muss auch den viel größeren, unsichtbaren Teil der Beziehungsebene berücksichtigen. Denn was ein jeder sagt, das transportiert nur einen kleinen Teil von dem, was er oder sie eigentlich meint. So können versteckte Botschaften entschlüsselt oder auch Konflikte nachhaltig gelöst werden. Das Eisbergmodell der Kommunikation verdeutlicht dies anschaulich und sensibilisiert uns dafür. Auf diese Weise kann in Unternehmen achtsamer miteinander umgegangen werden und dadurch Konflikte und Zerwürfnisse vermieden werden. Aber auch bestehende Konflikte lassen sich so leichter lösen, wenn man weiß, auf welcher Ebene sich das Problem der beiden Kontrahenten oder Kontrahentinnen befindet.

  • Mehr Achtsamkeit durch das Eisbergmodell: Wenn man das Eisbergmodell berücksichtigt und stärker auf die nonverbalen Hinweise achtet, kann man quasi ein kleinwenig mehr von dem Eisberganteil Unterwasser erkennen. So ist es beispielsweise möglich, aus der Tonlage, Mimik und Körperhaltung tieferliegende Einstellungen herauszulesen und dann gezielt nachzufragen. So können achtsame Vorgesetzte zum Beispiel anhand der Körpersprache des Gesprächspartners Vorbehalte oder Unzufriedenheit erkennen und dann konstruktiv darauf eingehen, um diese(n) mitzunehmen und zu überzeugen, anstatt zu übergehen und quasi zu befehligen. Also beispielsweise nicht verbalisierte Einwände behandeln oder auch Animositäten und Frustrationen aufdecken, um diese dann zu entschärfen und beizulegen. Ein weiterer Vorteil des Ansatzes ist, dass man selbst (z. B. als Vorgesetzter) introspektiv eindeutiger kommuniziert, indem man auch seine eigene nonverbale Körpersprache berücksichtigt und kontrolliert, um missverständliche Botschaften zu vermeiden.

 

  • Bessere Konfliktlösung mit dem Eisbergmodell: Konflikte zwischen Beschäftigten eines Unternehmens gehören zum Alltag dazu. Dabei muss man unterscheiden, ob es sich um Konflikte auf der Sachebene handelt, oder auf der Beziehungsebene – das lässt sich mit dem Eisbergmodell gut abschätzen. Die Konflikte auf der Sachebene sind leichter zu lösen. Sie entstehen vor allem durch Fehlinterpretationen, zu wenig Informationen, Falschinformationen oder eine unterschiedliche Gewichtung der Faktoren. Sachkonflikte können durch eine geduldige Diskussion, mehr Information und wirkliches Zuhören meist zufriedenstellend gelöst werden. Bei Konflikten auf der Beziehungsebene ist das etwas komplexer. Hier können Differenzen bezüglich persönlicher Normen und Werte ursächlich sein, Rollenkonflikte oder auch Antipathien aufgrund früherer Beleidigungen oder Anschuldigungen. Hier müssen Sie dann mit konstruktiver Kommunikation zunächst wieder ein Vertrauensverhältnis aufbauen (siehe nächster Abschnitt, Punkt 6).

 

  • Beispiel aus dem Berufsalltag: Sie registrieren in einem Gespräch anhand der Körpersprache, dass Ihr Gegenüber genervt auf Ihre Bitte (Aufforderung, Arbeitsanweisung) reagiert. Dann prüfen Sie zunächst, ob Sie sich selbst missverständlich oder despektierlich geäußert haben. Wenn ja, korrigieren und entschuldigen Sie sich. Wenn nein, fragen Sie neutral und respektvoll nach, um der versteckten Botschaft auf den Grund zu gehen (wichtig: ohne Vorwurf oder eigener Interpretation). Durch diese offene Gesprächsatmosphäre kann Ihr Mitarbeiter ausdrücken, was ihn oder sie wirklich beschäftigt und Sie können das Problem gemeinsam lösen und die Situation verbessern.

6. Extra-Tipp: Konstruktive Kommunikation bringt den Unterwassereisberg zum Schmelzen!

Da jede(r) Beteiligte an einer Kommunikation automatisch ein Eisberg ist – und die Eisberge je nach Situation, persönlicher Umstände und Vorgeschichte der Kommunikationspartner unterschiedlich groß und ausgeprägt sind – kann es bei unbedachtem Verhalten schnell zu einer Kollision und Unstimmigkeiten kommen. In diesem Sinn ist eine destruktive Kritik also nichts anderes als „volle Rammgeschwindigkeit“, denn das Schiff ist ja schließlich unsinkbar!

Die einfache, aber sehr wirkungsvolle Technik der konstruktiven Kritik bewirkt hingegen das genaue Gegenteil. Die volle Konzentration auf die Sachebene, in Kombination mit Wertschätzung und respektvollem Verhalten, führt dazu, dass die unsichtbaren Eisberganteile auf ein Minimum reduziert werden. Sie schmelzen förmlich dahin. Wie Sie mit der konstruktiven Kommunikation vorurteilsfrei, lösungsorientiert und vorwärtsorientiert Probleme vermeiden und lösen können, erfahren Sie in unserem Büro-Kaizen-Blogbeitrag → „Konstruktive Kritik hilft Ihnen, gewünschte Verbesserungen auch tatsächlich zu erreichen: Vorteile, Regeln und Beispiele“. Weitere praktische Tipps haben wie Ihnen hier zusammengestellt.

Büro-Kaizen Video-Tutorial: Digital-Leadership: 7 Tipps für Führungskräfte mit Microsoft 365

(Dauer 06:07 Minuten)

Inhalt dieses Büro-Kaizen Video-Tutorials:

  1. Einleitung 00:00 
  2. Selbstmanagement ist die Basis 00:23 
  3. Weniger ist manchmal mehr 01:05 
  4. Microsoft 365 ist kein reines IT-Thema 01:44 
  5. Entweder es geht einfach, oder es geht einfach nicht 02:28 
  6. Führende Systeme definieren 03:16 
  7. Die Kette bricht am schwächsten Glied 04:03 
  8. Im Team braucht es Spielregeln 04:54 


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